Krankenversicherung
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.01.23 - L 4 KR 308/21
Aufklärungspflicht als Erfordernis des Wirtschaftlichkeitsgebots - Vergütungsanspruch bei "Gelegenheitsoperation"
- Wird im Rahmen einer Herzoperation „bei Gelegenheit“ auch ein offenes Foramen ovale (PFO) gesichtete und verschlossen, kann auf eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten als Erfordernis des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht verzichtet werden.
- § 8 PrüfvV 2014 schließt den Einwand der Aufklärungspflichtverletzung nicht aus.
- Der Anspruch auf Vergütung für Leistungen des Krankenhauses gem. § 109 SGB V kommt nur für solche Behandlungsleistungen in Betracht, in die der Patient nach entsprechender Aufklärung wirksam gem. § 630d BGB eingewilligt hat.
- Das Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit der Anspruch auf Vergütung ärztlicher Leistungen erfordern, dass der Versicherte die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Leistung selbst bestimmt unter Abwägung von Chancen und Risiken der Behandlung. (Redaktionelle Leitsätze)
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Januar 2023 (Aktenzeichen L 4 KR 308/21) befasste sich mit einem Streit über die Kosten einer Krankenhausbehandlung. Konkret ging es um die Abrechnung einer Krankenhausbehandlung für einen Patienten, der bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich versichert war und in dem klagenden Krankenhaus aufgrund einer hypertensiven Krise behandelt wurde. Während der Behandlung wurde eine Mitralklappeninsuffizienz diagnostiziert und operiert, wobei auch ein offenes Foramen ovale mittels Direktnaht verschlossen wurde.
Das Krankenhaus rechnete die Behandlung mit einer bestimmten Fallpauschale ab, die von der Krankenkasse zunächst bezahlt wurde. Nach einer Überprüfung durch den Medizinischen Dienst wurde jedoch entschieden, dass eine andere DRG (Diagnosebezogene Fallgruppe) zur Abrechnung kommen müsste, was eine geringere Vergütung bedeutete. Die Krankenkasse forderte daraufhin einen Teil der bereits gezahlten Vergütung zurück.
Das Sozialgericht Osnabrück wies die Klage des Krankenhauses auf Zahlung der ursprünglich geforderten Summe ab. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung des Krankenhauses zurück. Das Gericht führte aus, dass kein Anspruch auf die höhere Vergütung bestand, da der Patient nicht ordnungsgemäß über den Eingriff am offenen Foramen ovale aufgeklärt wurde. Eine solche Aufklärung sei erforderlich gewesen, um die Entscheidung für die Inanspruchnahme der Leistung selbstbestimmt treffen zu können. Die Entscheidung bezog sich auch auf die Frage der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der Behandlung nach dem Sozialgesetzbuch und anderen rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zugelassen, insbesondere im Hinblick auf die Aufklärungspflicht bei Operationen und die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Krankenhausbehandlungen.