Rentenversicherung
SG Koblenz, Urteil vom 23.3.2023 – S 5 R 122/20
Kostenerstattungsanspruch eines Berufsposaunisten für eine zahnprothetische Versorgung im Rahmen der medizinischen Rehabilitation ggü dem Rentenversicherungsträger
Ein Berufsposaunist hat gegenüber dem Rentenversicherungsträger einen Anspruch auf medizinische Rehabilitationsleistungen für zahnprothetische Maßnahmen, wenn seine Erwerbsfähigkeit signifikant bedroht ist. Dies geht aus einem Urteil des Sozialgerichts Koblenz hervor.
Das Gericht entschied am 23. März 2023 (Az. S 5 R 122/20) folgenden Sachverhalt: Der Kläger, ein professioneller Posaunist und Erste-Soloposaunist eines renommierten Orchesters, ist in der Rentenversicherung pflichtversichert. Er beantragte beim beklagten Versicherungsträger medizinische Rehabilitationsleistungen, da er Schwierigkeiten hatte, die Töne präzise zu treffen und die Tonqualität zu erhalten. Er erwartete durch die geplante zahnprothetische Versorgung eine Reduzierung von Verspannungen und Muskelschmerzen nach langem Spielen sowie eine Verringerung der schnellen Ermüdung bei anspruchsvollen Stücken. Die Abnutzung der Schneidezähne führte zu unzureichendem Halt und Stütze für die Lippenmuskulatur, und der Zahnaufbau sollte hier deutliche Verbesserungen bringen. Der Kläger reichte einen detaillierten Heil- und Kostenplan für eine umfassende Sanierung aller Zähne mit Keramikteilkronen bzw. Vollkeramikkronen ein. Der Versicherungsträger lehnte den Antrag ab, mit der Begründung, dass Zuschüsse zur zahnärztlichen Behandlung nur bei unmittelbar berufsbedingten Anforderungen bewilligt werden könnten.
Das Gericht gab der Klage jedoch statt. Der Kläger hat Anspruch auf die zahnprothetische Versorgung als Rehabilitationsleistung gemäß § 15 Absatz 1 SGB VI, in Form eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 18 Absatz 6 SGB IX. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers war gemäß § 10 Absatz 1 SGB VI erheblich gefährdet. Besonders zu berücksichtigen war die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Soloposaunist. Der Kläger litt unter einem generalisierten Verlust der Zahnhartsubstanz der Unterkieferfrontzähne und der nicht überkronten Seitenzähne, was zu einer Absenkung der Bisshöhe und Beeinträchtigungen beim Posaunespielen führte. Ein gem. § 109 SGG beauftragter Gutachter stellte fest, dass durch die Reduktion der Vertikaldimension eine unzureichende Unterstützung der Lippen beim Spielen entstand. Dies erforderte von der Muskulatur eine Kompensation, was zu schnellerer Ermüdung und verminderter Leistungsfähigkeit führte.
Die Entscheidung zeigt, dass der Rentenversicherungsträger auch Zuschüsse zu zahnärztlicher Behandlung und Zahnersatz erbringt, wenn dies für die Berufsausübung unmittelbar erforderlich ist. Dies gilt besonders für Berufe wie Blasmusiker, Logopäden, Sänger, Schauspieler oder Souffleure, bei denen Mund und Zähne besonderen Belastungen ausgesetzt sind.
Quelle: Christoph K. Machens in NZS 9/2024, S. 357